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E5 Bretagne 2019/Teil 1 von Kerity nach Saint-Rivoal

  • Autorenbild: erwandert
    erwandert
  • 26. Nov. 2023
  • 17 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 17. Juni


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Erwandert von Point du Raz bis Le Mont-Saint-Michel 855 km - Zur Vorbereitung

Heute bin ich nach 41 Tagen wieder zurück zu Hause von meiner Wanderung am E5 in der Bretagne. Ich freue mich schon, meine Fotos und Tagebucheinträge aufzuarbeiten und hier zu posten. Schon länger liebäugle ich mit diesem europäischen Fernwanderweg. Und zwar mit dem kompletten Weg von Point du Raz bis Venedig in Etappen.


Das hat mehrere Gründe. Zum einen liegen im Alpenraum am oder in der Nähe des Weges mein Geburtsort und die Geburtsorte meiner Eltern. Zum anderen mag ich Außenseiter. Der bekannte Teil des E5 hat unter Bergfreaks den Ruf als Wander Autobahn. Aber der E5 besteht eben aus mehr als nur Oberstdorf - Meran.


Seit meinem Camino auf der Via Gebennensis und Via Podiensis letztes Jahr bin ich auch ein Fan der französischen Wanderkultur geworden. Das Wegenetz - zumindest soweit ich es kenne - ist fabelhaft und meist gut markiert. Es gibt auch sehr viele Campingplätze und diverse Formen von Unterkünften (Rando Accueil, Gîte communal)


Zur Vorbereitung habe ich folgende Seiten verwendet:

https://www.gr-infos.com/gr-fr.htm

https://www.outdoorseiten.net/wiki/E5

https://www.geoportail.gouv.fr/

http://www.gites-refuges.com/www/

https://www.rando-accueil.com/


Da ich kein GPS-Gerät verwende, diente eine Tourenplanung auf Komoot eigentlich nur dem kennenlernen der Strecke. Was ich habe sind Screenshots der gesamten Strecke mit eingezeichnetem GR Wegenetz und die OSMand App mit der offline Karte von Frankreich, wo ich jederzeit schauen kann wo ich mich gerade befinde. Mein Wegverlauf in der Bretagne ist anders als im Outdoor-Wiki Artikel beschrieben, und zwar komme ich nicht erst bei Saint-Malo wieder an die Kanalküste, sondern schon weit vorher bei Plestin-les-Grèves. Die Variante über Plestin-les-Greves habe ich sowohl in einem Baedeker Reiseführer als auch im Wikipedia Eintrag gefunden.


Und ich kann es schon vorwegnehmen, die einzigen drei Hinweise in der gesamten Bretagne auf den E5 fand ich an der Küste, und zwar in der Nähe von Saint Brieuc. Meine Wanderung beginnt sogar 3 1/2 Etappen vor der Pointe du Raz. Dies hat den einfachen Grund dass ich vom Flughafen Nantes Atlantique eine BlablaCar Mitfahrgelegenheit bis Kerity fand, die ziemlich genau zum GR34 fuhr. Ich dachte mir, wenn ich schon mal dort bin warum noch umständlich selten fahrende Busse raussuchen, sondern einfach losgehen.


Folgende Wege aus dem GR Netz benutzt der E5 in der Bretagne: GR34 GR37 GR380 GR34D. Geplant ist der Weg mit Zelt, und ca. 2 mal die Woche eine Gîte. Dies ist meine erste Tour in einer kälteren - und vor allem so feuchten Umgebung. Es wird wahrscheinlich sehr oft regnen und die Temperaturen sollten sich zwischen 5 und 15 Grad bewegen. Auch starker Wind mit Sturmböen ist zu dieser Jahreszeit, speziell noch im Februar recht normal.

15.02.2019 Anreise

Alles läuft wie am Schnürchen. So einen „Lauf“ hatte ich beim Verreisen noch nie: Der Zug zum Flughafen ist halb leer, für das Einchecken des Rucksacks und der Sicherheitskontrolle brauche ich in Summe 10 Minuten und im Flugzeug bleibt der Platz neben mir frei.


Überpünktlich komme ich in Nantes an. Vier Stunden habe ich nun totzuschlagen. Da ich eigentlich keine Lust habe ins Zentrum zu fahren, mache ich es mir einfach mit meinem E-Reader in der Ankunftshalle gemütlich.


Um 18:00 Uhr werde ich dann gemeinsam mit zwei Frauen von Maude, meiner Blablacar Mitfahrgelegenheit, abgeholt. Ich habe Blablacar auf Empfehlung eines in Frankreich lebenden Freundes das erste Mal benutzt. Scheinbar ist die Firma mit Sitz in Frankreich in ihrem Heimatland sehr erfolgreich.


Wir unterhalten uns ein wenig und ich werde gefragt ob ich schon mal eine galette zum Essen hatte. Meine Italienischkenntnisse aufs französische übertragend (galletto=Hähnchen) bejahe ich und wundere mich was denn nun an einem Hühnchen so besonderes sein soll. Erst Tage später komm ich drauf dass galette ein bretonischer Buchweizenpfannkuchen ist...


Die anderen zwei Mitfahrerinnen steigen schon in Städten entlang des Weges aus, um 21:15 erreiche ich mit Maude die Küste, und sie macht sich etwas Sorgen um mich. Ich bin nun selber ob meines Mutes ohne Buchung einfach in der Dunkelheit mir einen Zeltplatz zu suchen etwas überrascht und eigentlich selbst nicht mehr ganz so sicher, lasse mir aber keine Schwäche anmerken, schultere den Rucksack, verabschiede mich und marschiere mit gespielter Selbstsicherheit los.


Tatsächlich finde ich nach etwa 200 m schon einen Super Platz unterhalb einer Böschung hinter ein paar Bäumen. Das war ja easy. Mein Zelt ist auch schnell aufgestellt und ich schlafe überraschend gut (üblicherweise schlafe ich die erste Nacht im Zelt gar nicht gut). Vielleicht war es ja das Meer Rauschen das mich einlullt.

16.02.2019 Kerity – Kerguellec 24,1 km

70 m Anstieg, 60 m Abstieg


Haferflocken mit Studentenfutter und kaltem Wasser schmeckt tatsächlich ganz gut. Dies ist mein Frühstück, nachdem ich mein Zelt in rekordverdächtiger Zeit zusammengepackt habe.


Der Weg bis zur Pointe de la Torch ist ziemlich verbaut aber die meisten der Häuser wirken unbewohnt. Werden wohl Ferien- und/oder Sommerhäuschen sein. Ich schau mir die Pointe de la Torche mit seinen Verteidigungsanlagen aus dem zweiten Weltkrieg (ich glaube, es sind Nazi-Bunker) an, und beobachte die Surfer in diesem bekannten Wellenreiter-Hotspot. Danach verläuft der Weg zuerst entlang einer schönen Dünenlandschaft und zieht dann einige Teiche umgehend, etwas ins Landesinnere. Es wäre möglich den Teil abzukürzen und auf lokalen Wanderwegen am Strand zu bleiben, ich entscheide mich aber auf dem GR34 zu bleiben.


Um 14:00 Uhr bin ich bei der Chapelle St. Evy und mache dort eine Mittagspause.


Um 16:00 Uhr erreiche ich in Kerguellec einen geschlossenen Camping Municipal, der zwar geschlossen, aber von allen Seiten zugänglich ist. Ich bleibe hier um mir eine längere Zeltplatzsuche zu ersparen. Ich habe letztes Jahr am Jakobsweg in Frankreich die Erfahrung gemacht das Franzosen generell sehr freundlich zu Wanderern und Wildcampern sind.


Auf einem Camping Municipal letztes Jahr, galt die Regel dass man sich einrichten soll und am Abed kommt jemand von der Gemeinde einen kleinen Obolus zu kassieren. Da dieser Platz jedoch eigentlich geschlossen hat, kommt niemand. Bei Einbruch der Dunkelheit liege ich schon mit all meinen Bekleidungsschichten im Zelt und schlafe bald ein.


17.02.2019 Kerguellec – Mesperleuc 28 km

110 m Anstieg, 110 m Abstieg


Ich habe nur noch sehr wenig Wasser, also halte ich mich nicht mit Frühstücken auf, sondern packe meine sieben Sachen zusammen und gehe los. Sehr schön zieht der Weg wieder um zwei Teiche herum (Étang de Trunvel, Étang de Kergalan) und zu den Ruinen der Chapelle de Languidou in Plovan.


So langsam werde ich hungrig und durstig. Um einen Spatenstich zu vermeiden wäre ein WC auch bald mal hilfreich. Gut, dass ich um 12:15 Uhr Penhors erreiche, wo ich eine saubere öffentliche Toilette mit einem wunderbaren Pausenplatz davor finde.


Dazu an dieser Stelle gleich mal ein hoch auf die französischen Gemeinden. Ich hab keine Ahnung ob es verpflichtend ist, aber jedes Dorf welches auch ein Rathaus besitzt, scheint in der Nähe von diesem, oder in der Nähe der Kirche eine öffentliche Toilette zu haben. Zusätzlich gibt es WCs auch an den Stränden. Das Wasser hat zwar klarerweise keine Wiener Hochquellenwasser Qualität – aber trinkbar.


Ich mache an dieser Stelle auch gleich eine etwas längere Pause zum Trocknen des Zeltes. Dieses ist, jeden Tag in der Früh einfach nur richtig nass. Egal ob es geregnet hat oder nicht. Auch meine Füße sind wieder nass, da einige der Wege wieder überflutet sind. Manchmal gibt es kleine Ausweichwege, manchmal kann man eine im Wasser stehende Stelle auf Straßen umgehen, und manchmal geht man halt einfach mitten duch.


Mir wird so langsam klar, was die Schwierigkeit bei einer Winterwanderung in der Bretagne wird. Es sind nicht nur die Temperaturen, die ja dank des Golfstroms gemäßigt sind. Es ist die Kombination aus Luftfeuchtigkeit und eines völlig gesättigten Bodens. Mein Weg führt mich weiter entlang der beeindruckenden Baie d'Audierne. Die Brandung ist unglaublich laut.


Um 18.00 Uhr beginnt es leicht zu nieseln. Ich finde einen schönen Zeltplatz, der jedoch vom GR34 und einem anderen Pfad kurz einsehbar ist. Ich warte deshalb noch bis zur Abenddämmerung, baue mein Zelt auf und schlafe wieder ausgezeichnet.


18.02.2019 Mesperleuch – Primelin 16,4 km

178 m Anstieg, 89 m Abstieg


Am Morgen regnet es. Ich ziehe mir die komplett Regenklamotten im Zelt an und pack alles ein bevor ich das Zelt verlasse. Stopfe das Zelt noch schnell in den Rucksack und gehe weiter. Ich habe mich für diese Tour für Regenjacke und -hose entschieden. Am Jakobsweg habe ich meistens den Poncho mit, aber da bin ich auch nicht alleine unterwegs. Und ich brauche Hilfe, ich hab nämlich die Erfahrung gemacht, dass meine Versuche ohne Hilfe in den Poncho zu kommen in Slapstick ausarten. Bis er angezogen ist, bin ich meist schon waschelnass und es hat zu regnen aufgehört.

Ich weiß von einer Gîte, eine halbe Tagesetappe in Primelin und entscheide mich dort zu nächtigen. Einmal alles richtig trocknen und waschen. Ansonsten bin ich jedoch mit meinem Regenschutzsystem zufrieden. Müllsack im Rucksack für Schlafsack, Kleidung und Zelt (falls trocken, sonst kommt es über den Müllsack), zusätzlich trotzdem noch eine Rucksackhülle und wie schon erwähnt meine Regenklamotten. Leider pack ich Handy und Kamera bei Regen in einen Ziplock-Beutel und mache dadurch sehr wenig Fotos.

Um 11.00 bin ich in Audierne. Ich finde die Stadt recht hübsch. Hier wollte ich mich eigentlich auf die Suche nach einer Gaskartusche machen, aber es regnet und ich habe keinen Bock auf Umwege in die Gassen hinein, und direkt an der Hafenstraße gibt es nichts. Von Audierne bis Primelin ist der mir bisher liebste Teil der Wanderung. Die Häuser sind etwas weiter ins Landesinnere gerückt, und die Küstenlandschaft schaut naturbelassener aus.

Um 13:30 bin ich bei der Gîte. Irgendwie habe ich das Gefühl, ich sollte noch weitergehen, weil ich eigentlich gar keinen halben Ruhetag benötige. Das Gefühl verfliegt aber bald, als ich merke, dass ich die Gîte ganz für mich haben werde. Große Küche, Waschmaschine und Trockner stehen mir zur Verfügung und 1.7 km die Straße entlang gibt es einen großen Supermarkt.

So wird es ein sehr gemütlicher Nachmittag und Abend.


19.02.2019 Primelin – Keriolet 21,3 km

260 m Anstieg, 260 m Abstieg


Der Weg wird traumhaft schön, die Pfade immer schmaler und ausgesetzter, es gibt jetzt sogar so einige Stellen, bei denen man besser nicht ausrutschen und nach links fallen sollte. Ich würde von mir selbst behaupten zwar halbwegs schwindelfrei zu sein, aber nicht 100% trittsicher. Soll heißen, bis jetzt hats mich noch auf jeder längeren Tour mal auf die Schnauze gehaut. Es ist zwar immer demütigend, wenn Trailrunner bei mir vorbei sprinten, als ob nichts wäre, aber ich konzentriere mich darauf, nicht bei den Fischen zu landen.

Ich will jetzt nicht den Eindruck erwecken, als wäre der Weg sehr schwierig und gefährlich. Aber man hat halt genug Zeit, alle Szenarien durchzuspielen, was passiert, wenn man an gewissen Stellen ausrutscht. Was es heute sicher leichter macht, ist das traumhaft schöne Wetter. Ich kann es gar nicht glauben. Die Landschaft wirkt gleich so viel bunter. Zu Mittag erreiche ich den Startpunkt des E5, die Pointe du Raz. Ich finde nirgends einen Hinweis, dass es hier losgehen soll, also beschließe ich, als meinen offiziellen Startpunkt das Schiffbrüchigendenkmal zu verwenden. Ich merke, dass ich schon seit 3 1/2 Tagen alleine unterwegs bin und sehr wenig mit anderen Menschen spreche – meine Gedanken anfangen zu verselbstständigen und um bestimmte Themen zu Kreisen.

Ein paar Stunden beschäftigt mich zum Beispiel das Thema, ob es notwendig ist, den E5 zu markieren, wenn er, wie in Frankreich schon durch Departement übergreifende Wanderwege markiert ist. Eigentlich ja nicht mehr, denn der Weg ist ja nur eine Idee und musste nicht eigens angelegt werden. Andererseits kann sich eine Idee vielleicht besser durchsetzen, wenn auf sie nicht nur im Netz hingewiesen wird, sondern es auch haptisch greifbare Schilder gibt. Muss ja nicht durchgehend sein, aber so ab und an…

Ich esse am Pointe du Raz in einem windstillen Rasthäuschen und bemerke eine weitere Eigenschaft von Touristen Strömen in der Bretagne die sich bis zum Schluss durchziehen wird: Generell ist der Küstenpfad so gut wie menschenleer (bis jetzt sind ab und an Trailrunner unterwegs, und ich vermute ab Frühling dann doch mehr Wanderer). Es gibt aber so einige Points of Interest wie eben die Pointe du Raz. Dort führt dann meist ein Parkplatz hin und man kann davon ausgehen, dass es in einem kleinen Umkreis um die Sehenswürdigkeit einen Menschenauflauf gibt. Sobald man aber wieder ein paar Meter abseits ist, hat man wieder seine Ruhe.

So gehe ich nach einer kurzen Pause weiter und habe bis am Abend die wunderschöne Küstenlandschaften ganz für mich alleine.

Irgendwo bei Keriolet setzt schon die Dämmerung ein und ich habe noch keinen passenden Zeltplatz gefunden. Es geht die meiste Zeit links steil runter ins Meer und rechts steil rauf. Ich finde dann kurz vor Einbruch der Dunkelheit dann doch noch ein zwei Quadratmeter großes, ebenes Plätzchen. Ich stelle mein Zelt auf und schlafe bei Meeresrauschen ein.


20.02.2019 Keriolet – Kermaden 16,9 km

190 m Anstieg, 170 m Abstieg


Die Morgenroutine passt. 30 Minuten brauche ich vom Aufwachen bis zum Losgehen. Aber leider ist mir in der Nacht ein Missgeschick passiert. Ich habe meine letzte halb gefüllte Wasserflasche nicht richtig geschlossen und in der Nacht ist sie ausgelaufen. So habe ich jetzt nur noch ca. 200 cl. Trinkwasser. Gerade hier ist das etwas ungünstig weil es direkt am Weg nichts gibt. Na ja, irgendwann muss ich dann wohl vom Pfad ab zu einem Parkplatz oder einem Dorf im Landesinneren.


Der Weg ist wunderschön und oft ausgesetzt. Im Gegensatz zur Südseite des Cap-Sizun sind die Klippen höher und die Wohngebiete etwas weiter im Landesinneren. Alles in allem eine sehr pittoreske Angelegenheit, und man kommt bei zahlreichen Pointes vorbei: Pointe de Castelmeur, Pointe de Brézellec, Pointe de Kerhano, Pointe de Penharn und dadurch auch an vielen kleinen Stränden, Buchten und Häfen.


So langsam wird das mit dem Wasser aber ein Problem, welches es zu lösen gilt. Ich habe zwar zur Sicherheit Micropur Forte mit, aber ich traue den kleinen Meeres Zuflüssen überhaupt nicht, weil im Landesinneren Landwirtschaft betrieben wird und ich keine Ahnung habe wo die Quellen liegen könnten und wo die Bächlein vorher noch überall vorbeifließen.

Die Auf- und Abstiege summieren sich auch. Laut Komoot sind es nur 190 m im Aufstieg und 170 m im Abstieg heute. Es fühlt sich aber definitiv nach mehr an. Pointe runter zu einer Bucht und auf der anderen Seite wieder rauf, dann wieder runter und wieder rauf. Vielleicht fühlt es sich so streng an, weil es nur so kurze Auf- und Abstiege sind. Am frühen Nachmittag komme ich zu einem Schild, das ins Landesinnere zeigt, mit Hinweis auf ein kleines Lebensmittelgeschäft und eine kleine Bar. Laut google maps hat die Ortschaft auch eine Kirche – also sollte Trinkwasser ebenfalls vorhanden sein. Leider ist das Dorf aber 2,8 km im Landesinneren, macht in Summe 5,6km.

Na gut, es scheint wirklich dann wieder etwas länger nichts zu geben und ich habe schon seit ein paar Stunden kein Wasser mehr. Also nimm ich den Umweg in Kauf. Eine Cola und ein bisschen frisches Gemüse als Ergänzung zu meinem Salamibrot wären auch super. Dann vielleicht noch einen Kaffee in der Bar. Angekommen, werde ich dann aus meinen Träumen gerissen. Die Bar ist im Winter zu. Das Lebensmittelgeschäft wird umgebaut und ist ebenfalls zu. Die Kirche und der Kirchenplatz sind eine riesige Baustelle. Dort wird wohl auch das öffentliche WC mit Trinkwasser gewesen sein.

Na gut, ohne Wasser verlass ich das Dorf nicht. Und so spreche ich einen der Bauarbeiter an, ob er denn „eau potable“ hätte. Er schaut etwas verwirrt und muss tatsächlich seinen Vorarbeiter fragen und der sagt dann nur ein Wort, das dem italienischen Wort für Wasserhahn ähnelt und ich bejahe. Ich werde in der Baustelle zu einem Wasserhahn mit köstlichem Wasser geführt.

Nach einer Mittagspause inklusive kurzer Siesta mache ich mich wieder zurück zum GR 34 und finde nach ein paar Metern einen wunderschönen Rastplatz mit Rasthäuschen für Wanderer. Davor und dahinter eine ebene Wiese. Es ist zwar erst 15.00 Uhr, aber ein schöneres Plätzchen werde ich wohl nicht finden und entscheide hier zu bleiben

Ich überlege auch kurz, ob ich auf dem Boden im Haus schlafen soll, fühle mich dann aber doch im Zelt wohler. Ich will wie üblich bis zur Dämmerung warten, packe aber schon mal alles aus dem Rucksack und hänge das Zelt zum Trocknen auf.

Kurz vor der Dämmerung kommen zwei ältere Damen vorbei. Jetzt bin ich mal gespannt, wie sie reagieren werden. Ich grüße sehr freundlich und komme ins Gespräch. Tatsächlich freuen sie sich, dass ich in ihrer Gemeinde bei ihrem schönen Rasthäuschen übernachte. Sie erzählen mir, dass dies früher ein kleiner Hof war, der nach dem Tod des Besitzers ziemlich verfallen ist und dann von einem Dorfverein renoviert und als Wanderrast hergerichtet wurde.


21.02.2019 Kermaden – Pointe du Millier 17,5 km

210 m Anstieg, 230 m Abstieg


Der Weg verläuft recht anspruchsvoll, zum Teil ausgesetzt und mit einigen Steigungen und Abstiegen. Die Ausblicke sind wunderschön, und ich bin von der Nordküste des Cap Sizun einfach nur begeistert.


Man kennt es ja, wenn man sich in der Vorbereitung eine etwas idealisierte Vorstellung von der Landschaft macht, durch die man wandert. Nun, dieser Teil deckt sich genau mit dieser Vorstellung.

Kurz vor 13:00 Uhr kommt mir eine Frau mit ihrem Hund am Weg entgegen und wir kommen ins Gespräch. Sie sagt mir, dass es oberhalb der nächsten Bucht einen Parkplatz mit Wasseranschluss gibt. Sie steht dort mit ihrem Camper und wird mir gefiltertes Wasser geben. Sie erklärt mir, dass die meisten Bretonen kein Leitungswasser trinken. Einige verwenden Filter, um das Wasser vom Chlorgeschmack zu befreien, andere wiederum kaufen sich ihr Trinkwasser im Supermarkt. So krieg ich von ihr 3 Liter gefiltertes Wasser. Ich verstehe nun auch, warum der Bauarbeiter in Goulien auf meine Frage nach Trinkwasser nicht gleich wusste, wie er mir helfen kann.Wir reden auch kurz über ihren Campingbus. In Frankreich sind Campingurlaube sehr beliebt, und so gibt es in der Bretagne auch sehr viele Parkpmöglichkeiten für Campingbusse. Sie macht damit einfach oft zweitägige Touren am Wochenende. Am Nachmittag habe ich noch eine nette Begegnung. Ein Mann fragt mich, wohin ich gehe, und ich erkläre ihm, dass ich dem E5 folge, und mache mich schon bereit, ihm zu erklären, was denn der E5 überhaupt ist. Er schaut aber gleich sehr erstaunt drein und erzählt mir, dass er vor einer halben Stunde mit seiner Frau darüber gesprochen hat, im Ruhestand den E5 nach Venedig zu gehen.

Die heutigen zwei Begegnungen waren die ersten etwas längeren Gespräche der letzten 6 Tage. Erkenntnis: Ich bin kein Einsiedler. Ich mag Menschen und ich merke gerade, dass mir etwas mehr Kontakt zu anderen gleich gut tut.

Am Abend komme ich an der Pointe de Millet und dem dazugehörigen Leuchtturm vorbei. Etwas im Landesinneren befindet sich eine schöne Wassermühle, Le moulin de Keriolet. Zuerst schaue ich mir die dazugehörigen Parkplätze an, ob ich dort irgendwo mein Zelt platzieren könnte, aber es ist mir zu viel los. Ich laufe etwas weiter, und lande wohl an einem der schönsten Plätze der ganzen Tour ziemlich nah an einer Klippe.


22.02.2019 Pointe du Millier – Douarnenez 15,7 km

160 m Anstieg, 170 m Abstieg


Ist es, weil ich mir einen Ruhetag in Douarnenez vorgenommen habe, oder weil ich wirklich müde bin? Ich fühle mich schlapp und ehrlich gesagt ziemlich am Ende. Jeder kleine Aufstieg aus einer Bucht strengt mich extrem an. Ich habe zu wenig Wasser, um mir meine Haferflocken zuzubereiten, also gibt’s mal nur Studentenfutter. Ich könnte ein paar Mal in kleine Dörfer abbiegen, aber das zahlt sich bei der heutigen kurzen Etappe nicht aus. Besser früh in der Gîte sein und so quasi 1 ½ Ruhetage daraus machen.

In Douarnenez angekommen, gehe ich zur Gemeinde, die bei einer Gemeindeunterkunft ja zuständig für das Einchecken sein sollte (auch laut Internet). Die dort zuständige Dame weiss zwar, was ich will, aber nicht wirklich, wie sie mir helfen kann. Sie ruft wo an und sagt mir, in der Gîte würde niemand abheben. Ich soll doch einfach hingehen und schauen, wer da ist. Kommt mir komisch vor. Normalerweise ist ja niemand vor Ort und wer von der Gemeinde schaut, kommt irgendwann bei der Unterkunft vorbei. Es ist in diesem Fall tatsächlich anders. Die Gite ist eine Ansammlung alter Fischerhäuschen inklusive eines Bio-Bauernhofes, der besichtigt werden kann und einen ständigen Empfang mit Personal vor Ort hat. Ich hatte mich fast schon darauf gefasst gemacht, dass die Gite im Winter vielleicht doch außer Betrieb ist, und nun bin ich in einem wunderschönen Häuschen mit zwei Schlaflagern und Küche untergebracht. Ich teile mir die Unterkunft mit einem jungen Paar aus Lille. Am Nachmittag erledige ich Einkäufe, wasche meine Klamotten und auch mich selbst. Am Abend verbringen wir ein paar angenehme Stunden in der Küche der Gite. Die zwei können auch echt gut englisch und wir sprechen über alles mögliche. Sie teilen mit mir eine Dose Sardinen und eine Käseplatte. Empfehlen mir für morgen eine Conserverie, eine Patisserie und noch so einiges mehr. Ich habe am Nachmittag ein Sixpack bretonisches Bier mitgenommen, den ich dann noch anbiete. So sitzen wir noch etwas in der Küche, reden über vieles – von der Armut in der Provinz Nor, aus der sie kommen und über Flamen generell bis über die aktuelle Situation und den Protesten gegen die Regierung.

Und ich lass mir erklären, was es mit den unendlich vielen Créperies auf sich hat und zu welchen Gelegenheiten man sie ist (im Prinzip immer und in allen Varianten, und am nächsten Tag kalt. Heute versteh ich auch endlich, was eine Galette ist - eine Crépe aus Buchweizen, sie lassen mich von ihrem Kouign amann Kuchen kosten, den ich bisher noch gar nicht kannte.

Es war sehr schön, nach einer Woche mal so einen Abend zu verbringen.


23.02.2019 Ruhetag in Douarnenez

Den Tag verbringe ich mit etwas Sightseeing, auffrischen meines Proviants, der erfolglosen Suche nach einer Gaskartusche. Ich werde von Geschäft zu Geschäft geschickt und nirgends gibt es was. Ich pfeife dann irgendwann drauf, da ich mit kaltem Essen eigentlich gut zurecht komme. Und wenn ich wirklich mal was Warmes will, bin ich ja nicht von der Welt, sondern kann mir ein Restaurant oder eine Bar am Weg suchen.

Die Stadt ist wirklich sehr schön. Es gibt einiges zu sehen. Drei Häfen, Conserverien, die kleine Ile de Tristan, ein Hafenmuseum, eine schöne Markthalle und sicher noch einiges mehr.


24.02.2019 Dournenez – Wald bei Kergoat Come 26,1 km

(300 m Anstieg, 200 m Abstieg)


Ich packe meinen Rucksack ganz langsam und ordentlich, so als würde ich versuchen, den Aufbruch aus dieser schönen Gîte absichtlich hinauszuzögern. Kurz vor 9 Uhr mache ich mich dann doch auf den Weg. Ich komme an einem antiken Hafen vorbei wo noch Teile einer römische „Fischfabrik" stehen und bald darauf bin ich bei den letzten Häusern des Einzugsgebiets von Douarnenez.

Man merkt, dass es ein schöner Sonntag ist. An den Stränden entlang des Weges ist sehr viel los, und scheinbar dürfen heute alle Hunde der Gegend mal ausgedehnte Runden drehen. Am meisten los ist zwischen der Plage de Lestrevet und der Plage de Pentrez. Ich bin gerade bei Ebbe dort und der lange Sandstrand wird regelrecht gestürmt. Scheint fast so, als würde die Bretonen solch schönes und untypisches Wetter für die Jahreszeit voll ausnutzen.

Bei Pentrez wechsle ich um 15 Uhr auf den GR 37. Die Markierung fehlt und ich schaffe es irgendwie die falsche Straße zu nehmen, aber dank App mit GPS bin ich bald wieder auf der richtigen Strecke. Es ist ein sehr eigenartiges Gefühl das Meer zu verlassen. Gegen 17 Uhr sehe ich Saint Nic Rechterhand und beschließe so lange weiter zu gehen, bis ich einen geeigneten Zeltplatz finde. Ca. 1 km vor dem Hof Kergoat Come finde ich einen geeigneten Platz in einem Waldstück.

Ich glaube, das ist meine erste Zeltübernachtung in einem Wald seit 21 Jahren. Ich lausche den Geräuschen in der Dunkelheit, schlafe bald ein und träume von bretonischen Wildschweinen.


25.02.2019 Kergoat Come – Faou 25,3 km

500 m Anstieg, 630 m Abstieg


Die Markierungen des GR 37 stimmen erst ab Le Faou wieder zur Gänze. Aber eigentlich kein Problem, da mein erstes Ziel für heute, der Menez Hom, schon von weitem sichtbar ist. Ich erreiche ihn, um 10 Uhr und habe eine wunderbare Fernsicht von dort, obwohl er nur 330m hoch ist. Es ist trotzdem die höchste Erhebung in der Bretagne außerhalb der etwas nordöstlicher gelegenen Monts d'Arret (welche ich auch durchqueren werde). Von dort oben sehe ich schon mein nächstes Zwischenziel, den Pont de Térénez, eine Brücke, die sich über die Bucht von Brest spannt. Ich kann am Weg immer wieder einer gelb roten Markierung folgen, bis ich kurz vor der Brücke wieder auf den GR 34 stoße, der mich bis Le Faou begleiten wird.


Von hier zieht es sich noch etwas, ich muss an jeder Menge Äcker, Wiesen und Wälder entlang gehen. Kurz vor 17.00 Uhr erreiche ich Le Faou und übernachte dort auf einem Camping naturelle.


26.02.2019 Faou – Saint-Rivoal 30,4 km

550 m Aufstieg, 274 m Abstieg


Die Nacht war sehr kalt, das Außenzelt ist mit Eis überzogen. Ich beeile mich beim Packen, um warm zu werden. Ich will heute nach Saint Rivoal in eine Gemeinde-Herberge, das sind 30,4 km und ich möchte vor 17 Uhr dort sein, da die Gemeinde dann zusperrt. Gerade am Anfang ist der Weg heute nicht sonderlich schön und geht vorwiegend vorbei an Industrieanlagen. Aber es wird immer besser und der Weg verläuft schlussendlich entlang von Forststraßen durch schöne große Waldgebiete.


Es wird extrem schlammig. Die Wanderwege werden hier von den Landwirten zum Teil mit großen Maschinen befahren und das beschädigt die landwirtschaftlichen Wege und Forstwege. Manchmal gibt es kleine Quellen und/oder Pfützen die den Weg überspülen. Jedenfalls stapfe ich sehr oft knöcheltief durch Matsch. Zum Teil gibt es neben den Pfaden Bewässerungskanäle für die Äcker, die viel Wasser führen und einfach über den Wanderweg schwappen. Ich schaffe es bei schönstem Wetter, nasse Füße zu haben. Die nächsten Tage soll Schluss sein mit dem guten Wetter und eine mehrwöchige Regenperiode beginnen. Ich bin schon gespannt, wie ich da durch kommen werde.

Heute habe ich meine erste Begegnung mit Hofhunden, was ja auch kein Wunder ist, da die Wege jetzt oft an Bauernhöfen vorbeigehen. Bellend werde ich die Straße, mit zwei Meter Abstand von zwei Hunden begleitet bis ich außer Sichtweite des Hofes bin. Ich bin durch frühere Wanderungen an solche Begegnungen gewöhnt und versuche entspannt zu bleiben. Weiter geht es durch die Foret Domaniale de Carnou. Ein recht großer schöner staatlicher Wald.

Um 16:30 Uhr bin ich in St. Rivoal und bekomme auf der Gemeinde den Gite-Schlüssel. Sie ist wieder wunderschön, und es gibt einen Holzofen. Der Dorfladen hat nur zwei mal die Woche ab 16 Uhr offen. Ich habe Glück, dass heute geöffnet hat. Mir gefällt es hier so gut, dass ich beschließe, wieder einen Pausentag einzulegen.

Die Gemeinde hat nur 170 Einwohner. Im Dorfladen treffe ich einige von ihnen und komme mit einem Mann ins Gespräch. Obwohl es auch in Frankreich ein Dorfsterben gibt, haben sich hier viele junge Menschen zwischen 25 und 35 angesiedelt, und viele davon haben Kinder. Es gibt einen Dorfladen (ausschließlich mit Produkten von den Bauernhöfen der Gemeinde), eine Bibliothek, ein Restaurant/Bar und einen Gemeindesaal mit vielen Veranstaltungen.

Ein wirklich schöner Gegensatz zu all den kleinen Gemeinden, in denen es keine Infrastruktur mehr gibt.

27.02.2019 Ruhetag in Saint-Rivoal

Ich mach nichts anderes als Holz in den Ofen nachzulegen, zu lesen und zu essen.


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