E5 Bretagne 2019/Teil 2 von St. Rivoal nach Pointe de la Bilfot
- erwandert
- 25. Nov. 2023
- 15 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 17. Juni

28.02.2019 St. Rivoal - Huelgoat 34,1 km
400 m Anstieg, 410 m Abstieg
Ich gehe los und schon bald nach St. Rivoal zeigt mir ein Schild eine neue Streckenführung. Laut IGN Karte sollten der GR 37 und der GR 380 erst nach dem Reservoir de St-Michel gemeinsam verlaufen (der GR 37 sollte den See südlich umgehen, der GR380 nördlich). In Wirklichkeit biegen beide nach Norden ab und laufen hier gemeinsam. Ein Blick ins Kartenmaterial zeigt mir, dass der Weg dadurch zwar etwas länger ist, aber etwas schöner sein könnte, da es auf zwei Erhebungen rauf gehen soll.
Wir befinden uns übrigens im westlichen Teil der Monts d'Arret und die Landschaft ist heute abwechslungsreich und schön. Vom Menez Mikel habe ich noch einen wunderschönen Ausblick, vom Tuchenn Kador allerdings nicht mehr. Der Regen setzt ein und es wird sehr nebelig. Das nächste Dorf ist wieder eine typisch kleine Gemeinde der Monts d'Arret, Botmeur.
Nach dem See komme ich bei einer rundherum gesicherten Industrieanlage an, die mitten in der schönsten Natur steht. Es ist das nicht mehr aktive Atomkraftwerk von Brennilis. Man ist anscheinend schon ewig lang mit den komplizierten Abbauarbeiten beschäftigt. Das Reservoir de St. Michel ist ein Stausee, um Wasser für die Kühlung zu haben.
Weiter geht es nach Huelgoat. Kurz vor Huelgoat mache ich noch Bekanntschaft mit Rambo, einem 17 Jahre alten Ziegenbock, der seinem Besitzer als Rasenmäher dient. Er wird jeden Tag mindestens eine Stunde spazieren geführt.
Nach Huelgoat nehme ich einen lokalen Wanderweg, da der E5 die Stadt nördlich umgeht, und ich südlich zum Camping Municipal will. Dort werde ich die Nacht verbringen.
01.03.2019 Huelgoat - Gare de Scrignac 11,6 km
140 m Anstieg, 200 m Abstieg
Es hat die letzten Tage ziemlich abgekühlt, und es fällt mir schwer, in der Früh meinen Quilt zu verlassen. Aber sobald ich mich etwas bewege und mir meine Wanderklamotten angezogen habe geht`s wieder. Ich hol mir in der Altstadt noch ein Baguette, frühstücke und starte.
Die erste Stunde geht es am Rivière d'Argent entlang, vorbei an wunderschönen Steinformationen und einem kleinen Wasserfall. Vorher gehe ich auch ein Stück den Weg nach Norden, wo der eigentliche GR Weg hergekommen wäre, da sich dort die Artusgrotte und das Camp d'Artus befinden. Camp d'Artus soll der Hauptort der Osismier gewesen sein, ein keltischer Stamm, der an einem Aufstand während der Gallienfeldzüge Cäsars teilgenommen hat. Renitente Gallier, klingt sehr nach Asterix und Obelix.
Hier trennt sich auch der GR 37 und der GR 380, welchem ich ab hier folge.
Es gibt jede Menge Sagen und Legenden, die sich um den Wald von Huelgoat ranken, und ich finde, die Gesteinsformationen, Grotten und bemoosten Bäume generieren auch eine Stimmung, die dafür prädestiniert ist.
Seit gestern regnet es. Es regnet nicht andauernd, aber immer wieder. Manchmal Sprühregen, manchmal ganz kurze Regenschauer, manchmal bei Sonnenschein. Und dazwischen immer wieder schönstes Wetter, als ob nix wäre, nur um 20 Minuten später wieder vollkommen bewölkt zu sein. Nach dem Wald geht es eher unspektakulär, aber nicht unangenehm auf Forststraßen. Zum Schluss noch an der Trasse einer ehemaligen Bahnlinie entlang. Dort befindet sich dann die Gare de Scrignac, ein schönes Bahnhofsgebäude, das in eine Gîte d'Etape für Wanderer umgebaut wurde.
Da ich seit zwei Tagen die Feuchtigkeit bis in die Knochen spüre, möchte ich dort übernachten. Auf der Homepage steht, dass bis 19:00 Uhr jemand dort ist, um Wanderer zu empfangen. Ich rufe ich gar nicht an, sondern geh einfach hin. Schon um 15:00 Uhr bin ich dort und habe gar nichts dagegen, diesen Tag kurz zu halten bei dem Wetter. Leider ist niemand da. Auf der Glastür klebt ein A4 Zettel mit einer Telefonnummer, falls niemand da ist. Unter diesem A4 Zettel klebt ein zweiter, auf dem steht, dass es hier keinen Handyempfang gibt, und dass es diesen erst wieder in 3km gibt. Da es kurz aufgehört hat, erkunde ich die nähere Umgebung. Es gibt sehr viele ebene Wiesen mit Rastbänken in Sichtweite zur Gîte. Eine davon sogar überdacht. Hinter der Gîte gibt es eine öffentliche Toilette mit Leitungswasser. Ich beschließe vorerst hier zu bleiben, unter dem überdachten Rastplatz – falls jemand kommt, gut, sonst stelle ich einfach mein Zelt auf einer Wiese auf.
Ich esse, lese, schreibe und versuche irgendwie mein Zelt auf engstem Raum zu trocknen.Ein Mann kommt vorbei und fragt mich, ob ich was brauche. Ihm gehört ein schönes Haus, etwa 100 m entfernt. Wir plaudern ein wenig, und er bietet mir sogar an Kaffee vorbeizubringen. Er meint, die Betreuer der Gîte sind viel weg, wohnen aber im ersten Stock, also müssten sie irgendwann kommen. Wenn ein weißer Renault Kangoo auf den Parkplatz fährt, dann sind sie das. Er bietet mir sogar an, mein Zelt in seinem Garten aufzustellen, aber wir finden dann beide, dass es in der Nähe des öffentlichen WCs praktischer ist. Bei Einbruch der Dunkelheit stelle ich mein Zelt auf und bin mittlerweile fast froh, dass ich in der Gîte niemanden angetroffen habe.
Irgendwann spät in der Nacht wach ich durch Motorengeräusche auf. Es ist ein weisser Renault Kangoo!
02.03.2019 Gare de Scrignac - Guerlesquin 27,3 km
420 m Anstieg, 340 m Abstieg
Heute ist der Weg sehr unspektakulär, immer wieder an Bauernhöfen vorbei. Zusätzlich regnet es, der Boden ist matschig und die Windböen, die sich bis jetzt meist auf die Nachtstunden und den ausgesetzten Kuppen beschränkt haben, werden immer stärker und unangenehmer.
Meine Stimmung ist schon nicht gerade am Höhepunkt, als ich eine unangenehme Situation mit gleich drei Hofhunden habe. Sie lassen mich einfach nicht die Straße am Hof vorbei, sind sehr sehr aggressiv und folgen mir bellend und fletschend auch noch 100 m, als ich die Straße langsam rückwärts in die entgegengesetzte Richtung gehe.
Ich finde einen Umweg, um ans Ziel zu gelangen, verlängert den Weg zwar etwas, aber es könnte schlimmer sein. Ich erreiche Guerlesquin und gehe in den dortigen Supermarkt meinen Proviant aufstocken und Superkleber für die sich auflösenden Nähte meiner Meindl Schuhe zu besorgen (die Schuhe haben maximal 500km auf dem Buckel). Es regnet immer noch und der Himmel wird dunkel.
Im Zentrum weiß ich dann nicht so recht weiter. Ist es Müdigkeit oder noch der sinkende Adrenalinspiegel? Mich überfallen urplötzlich und unerwartet Zweifel an meiner Wanderung. Ich frage mich, was das soll, warum ich das überhaupt tue. Ich fühle mich ganz einfach einsam und ausgelaugt.
Ich nehme ein Hotelzimmer, und zwar gleich für zwei Nächte, da am Sonntag kein Bus von hier wegfährt. Ich bin völlig überzeugt davon, am Montag die Heimreise anzutreten. Nachdem ich vor dem Hotel dann noch fast Stunden warten muss, bis mir die Besitzerin aufsperrt, ist meine Laune vollends hin. Ich wälze mich im Bett rum und die Gedanken kreisen um einen Tourabbruch.
Ich entscheide mich weiterzugehen und hoffe, dass es sich nur um ein momentanes Stimmungstief handelt.
03.03.2019 Ruhetag in Guerlesquin
Bis auf das Einkaufen von Lebensmitteln verlasse ich das Zimmer sowie das Bett nicht. Ich lese und schlafe dabei immer wieder ein. Ich scheine doch recht erschöpft zu sein. Zudem regnet es durchgehend so stark wie noch nie. Also das perfekte Wetter für einen Ruhetag.
04.03.2019 Guerlesquin - Pont Menou 26,9 km
280 m Anstieg, 470 m Abstieg
Es regnet stark, und obwohl ich nicht gleich auf Anhieb den richtigen Weg aus die Stadt raus finde, fühle ich mich frisch und komme gut voran. Es geht wieder vorbei an einigen landwirtschaftlichen Betrieben. Um 15 Uhr bin ich in Trémél, wobei ich um einiges früher hätte sein können, wenn ich nicht eine ungewollte 3 km Schlaufe auf dem GR Le Pays de Morlaix (einen Rundwanderweg um die Stadt Morlaix der auch teilweise parallel an von mir benutzten GR Wegen läuft) gegangen wäre.
Am Abend finde ich lange keinen geeigneten Zeltplatz, erst bei Dunkelheit finde ich einen am Rande einer Obstwiese, hinter einer Böschung, und wie ich es leider erst beim Aufbauen bemerke, inmitten eines Brennessel Feldes. Na ja, nicht so schlimm. Es erwischt mich nur etwas beim Fixieren des Zeltes mit den Heringen. Als alles steht, fällt mir ein, dass ich die Handschuhe griffbereit in den Hosentaschen gehabt hätte …
Es regnet und stürmt die ganze Nacht, ich bin aber durch die Böschung sehr gut geschützt.
05.03.2019 Pont Menou - Locquémau 16,4 km
400 m Anstieg, 420 m Abstieg
Ich folge auf schönen Wegen einem Fluss, dem Douron. Es regnet wieder und der Boden ist extrem rutschig. An einer Stelle, an der es zwei Meter auf lehmigem Boden steil runter geht, haut es mich dann so richtig auf die Schnauze und ich rutsche den Hang hinunter. Kurzer Check, bis auf einen kleinen Schmerz in der Schulter scheint alles gut zu sein. Ich bin nur von oben bis unten verdreckt.
Kurz darauf hört es mal kurz zu regnen auf und ich kann meine Klamotten am Fluss waschen. Bei Plestin-les-Grèves erreiche ich wieder das Meer und damit auch den GR 34. Der mich nun bis Mont Saint Michel begleiten wird.
Bei Trédrez gehe ich in eine Mischung aus Bar/Tabaktrafik/Bistro und genehmige mir mal einen großen Milchkaffee und eine Bruschetta. Ich studiere die Wegführung und sehe einen (geschlossenen) Camping Municipal in Locquemeau. Übernachtungen auf diesen Campingplätzen haben bisher immer sehr gut geklappt, obwohl die Plätze noch geschlossen sind. Mehrere Personen sehen mich, aber außer dass sie mir freundlich zunicken, passiert gar nichts.
Die ganze Nacht gibt es starke Sturmböen. Mein Zelt ist recht laut im Wind, auch das Gestänge verbiegt sich manchmal ziemlich stark, aber im Großen und Ganzen hält mein 3-Jahreszeiten-Zelt bisher Böen bis 80 km/h recht gut stand.
Generell gilt hier: Es regnet oft, aber selten wirklich lange. Rechtzeitig Regenklamotten an- und auszuziehen ist eine Kunst für sich. Entweder hört es zum Regnen auf, sobald ich sie anhabe, oder fängt wieder an, sobald ich sie ausziehe. Wenn man dem ein Schnippchen schlagen will und die Regensachen anlässt, obwohl es aufgehört hat, wird es so lange wieder nicht anfangen zu regnen bis man dann völlig durchgeschwitzt sich doch entscheidet, seine Regenklamotten auszuziehen.
06.03.2019 Locquémau - Pors Mabo (Trébeurden) 24km
280 m Anstieg, 270 m Abstieg
Am Morgen finde ich gleich Wasser und Frühstücke ordentlich. Ich habe das Gefühl, mein Hungergefühl ist generell größer geworden. Deckt sich auch mit früheren Erfahrungen, dass ich die ersten zwei Wochen auf einer längeren Tour eher wenig bis normalen Appetit habe und es dann nach 2–3 Wochen wesentlich mehr wird. Ich vermute mal, der Körper konzentriert sich die ersten zwei Wochen auf andere Dinge.
Heute bekomme ich meine erste Lektion nach dem Motto „Der Weg ist das Ziel“. Der GR 34 folgt nämlich dem Leguér (Fluss, der in die Bucht von Lannion mündet) für ca. 10 km bis in die Stadt Lannion. Dort überquert man eine kleine Brücke. Danach geht es auf der anderen Seite wieder 10km bis zur Bucht von Lannion zurück, nur um zu sehen, dass man die Luftlinie von einem Kilometer geschafft hat. Man muss dazu sagen, dass man sehr viel vom Zöllnerpfad abkürzen kann, wenn man will. Es gibt viele GR 34 Varianten um Halbinseln abzuschneiden, oder aber man weicht auf lokale Wanderwege aus. Wer also weniger Zeit zur Verfügung hat, kann mit genauer Planung einiges bewirken. Ich habe jedoch keinen Zeitdruck und deshalb beschlossen wir, so viel an der Küste zu bleiben wie vom E5 vorgesehen.
In Lannion angekommen kauf ich mir im Supermarkt Apfel, Cola, fertigen Couscous, Salat und Joghurt, also im Prinzip Sachen, die ich wegen dem Gewicht nicht lang mit mir rumschleppen möchte und esse gleich alles am Hafen. Danach merke ich, dass ich meine Trekkingstöcke im Supermarkt stehen lassen habe. Das passiert mir auch einmal pro Tour – und ist damit hoffentlich abgehakt.
Eine Touristeninformation liegt am Weg und ich besorge mir eine Übersichtskarte des Departements Cotes d'Armor. Seit St. Plestin bin ich nämlich in meinem zweiten Departement nach Finistére. Von Finistére hatte ich in einer Gîte eine schöne Übersichtskarte bekommen, und sowas möchte ich jetzt für jedes Department durch welches ich gehe als Erinnerung.
In der Touristeninformation arbeitet Rolf, ein Holländer. Der netteste Touristeninformationsbüro Mitarbeiter, den ich je kennengelernt habe. Er zeigt sich interessiert für meine Unternehmung, versorgt mich noch mit Zusatzinfos zu der Cote de granite rose an die ich bald gelangen werde und plaudert mit mir einfach ein wenig. Dann reserviert er mir für morgen Abend noch eine Gîte auf der Ile Grande.
Als ich dann wieder auf der Nordseite des Leguér Richtung Bucht von Lannion gehe, habe ich eine zweite schöne Begegnung. Eine Frau befragt mich zu meiner Wanderung. Sie erzählt mir dann, sie sei den kompletten E5 im Jahr 2004 gelaufen. Schon damals bis Venedig, obwohl es das Teilstück zwischen Verona und Venedig noch nicht gab. Wir haben dann noch etwas über die nicht vorhandene Kennzeichnung geredet. Sie meinte, früher gab es in unregelmäßigen Abständen Tafeln mit der Beschriftung E5 Venise- Pointe du Raz. Sie hat bei einem Tagesausflug so ein Schild entdeckt, und das hat in ihr den Wunsch geweckt diese Langstreckenwanderung anzugehen. Aber mittlerweile sind wohl so gut wie alle diese Schilder über die Jahre verschwunden.
Die Begegnungen bauen mich ungemein auf und geben mir einen neuen Motivationsschub. Mein Tief vor drei Tagen liegt schon in weiter Ferne und ich bin froh, am Ball geblieben zu sein.
Um 18 Uhr erreiche ich Porz Mabo (Ortsteil von Trebeurden). Die Campingplätze haben geschlossen, öffentlichen gibt es keinen. Es gibt aber einen Parkplatz mit öffentlicher Toilette. Dort baue ich mein Zelt auf und schlafe mit den gewohnten Geräuschen des Regens ein. Diese Übernachtungsstelle ist das genaue Gegenteil von versteckt und unauffällig campen. Der Parkplatz ist auf drei Seiten von Häusern umgeben und ich werde von vielen Bewohnern gesehen. Es scheint sich aber niemand an meiner Anwesenheit zu stören.
Tagsüber hat es nur ein paar Mal kurz geschauert, die Nacht wird es aber wieder durchregnen und leicht stürmen.
07.03.2019 Pors Mabo - Ile Grande 16 km
140 m Anstieg, 160 m Abstieg
Gestern bin ich weiter gekommen als erwartet, und so wird es heute ein sehr kurzer Tag. Es geht entlang der Küste von Trébeurden, und obwohl sehr besiedelt gibt es schöne Wege, Ausblicke und Felsformationen.
Ich erreiche tatsächlich schon um 12 Uhr die Ile Grande. Die Gîte liegt am Anfang der Insel, die über eine kleine Brücke erreichbar ist. Da der GR 34 die Insel auch umrundet, mache ich dies gleich heute und besuche eine Allée couverte (im Prinzip ein Dolmen Gang). Die ganze Bretagne ist voll von tausende Jahre alten Megalithanlagen (Allées couvertes, Steinreihen, Cromlechs, Steinkreisen etc.)
Ich gehe noch in die Inselbar auf einen Kaffee und checke dann ein.
Dann folgt das übliche: Wäsche waschen, kochen, lesen, schreiben.
08.03.2019 Ile Grande - Ploumanac´h 29,5 km
150 m Anstieg, 150 m Abstieg
Nach der Ile Grande macht der GR 34 eine relativ große Schleife ins Landesinnere, um die stark befahrene Küstenstraße zu umgehen. Am Anfang geht es auf einem kleinen Damm durch ein Sumpfgebiet.
Die Aussicht aufs Meer sowie die Granitformationen sind wirklich sehr schön anzuschauen. Auf der anderen Seite ist die Gegend extrem erschlossen, und der Weg ist eigentlich eine Art durchgehende Promenade. Zum Teil gibt es sogar Beschilderungen, die einem den Einsatz von Trekkingstöcken untersagt, um die Promenade nicht zu beschädigen.
Am Abend finde ich einen schönen großen Parkplatz am Meer und stelle das Zelt ganz am Rand, neben Fahrradabstellplätzen auf.
Es wird kurz spannend, als um 1:30 Uhr ein Auto ein paar Meter neben meinem Zelt hält und ein ziemlich lauter französischer Hip-Hop mich im Zelt mitschunkeln lässt. Nach zehn Minuten fährt das Auto wieder weg und der Spuk ist vorbei.
09.03.2019 Ploumanac'h - Buguélès 26,2 km
280 m Anstieg, 190 m Abstieg
An der Charakteristik des Weges ändert sich heute nicht viel. Schöne Ausblicke, schöne Küste, aber auch sehr stark be- und zersiedelt.
Auch hier wird, wie bisher an vielen sensiblen Stellen entlang der Küste, mit ganz niedrigen Abgrenzungen versucht, die Fußgängerströme zu lenken. Am Weg gab es Vergleichsbilder von 1994, damit man sieht, wie fruchtbar diese Aktion war. Noch vor wenigen Jahren war die Gegend total zertrampelt und die Vegetation ob der Touristenströme zerstört. Nun grünt es wieder überall. Beeindruckend, wie sich die Natur erholen kann, wenn man sie lässt und ein klein wenig hilft. Die Region ist sehr touristisch, Perros-Guirec hat z.B. 7212 Einwohner, aber eine Bettenkapazität von 30.000. Zur Hauptsaison wird’s hier ordentlich rund gehen.
Am Abend bin ich am Camping Municipal Buguéles und stelle mich dort wieder einfach auf. Ich lese und schlafe bald ein. Um 22:30 Uhr dann einen ohrenbetäubender Alarm. Ich brauche ein paar Sekunden um zu begreifen, dass ich nicht träume und mein erster Instinkt ist, ich hätte eine Alarmanlage ausgelöst und bin jetzt sicher wegen Hausfriedensbruch dran. Beim Aufziehen des Reißverschlusses meines Zeltes schneide ich mir noch meinen Quilt auf einer Länge von 5cm auf. Draußen merke ich, dass der Alarm von einem öffentlichen Defibrilatorkästchen kommt und das Türchen etwas offen steht. Ich drücke es zu und der Alarm hört auf. Es war wirklich extrem laut und im Umkreis von 100m stehen 3 Häuser.
Ich lege mich ins Zelt und warte auf Rettung oder Polizei, aber nichts kommt. Scheint wohl mit keiner Zentrale verbunden sein. Jetzt habe ich drei Theorien. Es war entweder der Wind, ein Tier oder jemand hat mir einen Streich gespielt. Ich tendiere zu letzterem. Ich sollte mich beim Zelten vielleicht doch etwas mehr verstecken.
10.03.2019 Buguélès - Chapelle Saint Votrom 32 km
290 m Anstieg, 260 m Abstieg
Heute wird der Pfad wieder schmaler und unwegsamer, die Besiedlungsdichte nimmt rapide ab und mir gefällt es so richtig gut. Sehr schön finde ich die Gegend um Castel Meur bzw. die Gemeinde Plougrescant. Plougrescant liegt auf einer Halbinsel, die man theoretisch zwar abkürzen könnte, wobei man dann aber viel Schönes verpassen würde, z.B. das wohl am meisten fotografierte Haus der Bretagne: La Maison du Gouffre.
Nach der Halbinsel gilt es wieder einen großen Umweg in Kauf zu nehmen, nämlich wieder entlang eines Flusses (Jaudy) weit ins Landesinnere zu wandern. Den Zufluss von Le Guindy und Jaudy bei der Stadt Treguier zu überqueren und am anderen Flussufer wieder zurück ans Meer zu gehen.
Der Weg ist auch ziemlich anspruchsvoll. Es gibt eine Ebbe Variante, die direkt im Flussbett verläuft, und eine Flut Variante, die auf einer Anhöhe oberhalb des Flusses verläuft. Es ist zwar Ebbe, aber der Weg dafür extrem rutschig über Steinbrocken und Algen. Am Rückweg zum Meer gäbe es auch wieder ein einige Optionen, ins Flussbett zu gehen, diese lasse ich aber aus, und so geht es fast ausschließlich auf Güterwegen zurück. Noch vor Erreichen des Meeres fing ich an einen Zeltplatz zu suchen, was aber sehr schwierig ist, da hier wirklich ein Gehöft nach dem Anderen kommt, und ich eigentlich auch nicht in ihren Äckern – hauptsächlich Blumenkohl - mein Zelt aufschlagen will.
Schon im dunkeln komme ich an die Chapelle Saint Votrom. Es gibt eine ziemlich große von Wallhecken eingegrenzte Wiese vor der Kapelle. Dort stelle ich mein Zelt auf. Leider ist der Platz noch schräger als ich zuerst bemerkt hatte. So versuche ich mich die ganze Nacht am Zeltboden anzupressen um nicht permanent den Hang runter zu rutschen.
11.03.2019 Chapelle Saint Votrom - Lanmodez 21,4 km
140 m Anstieg, 130 m Abstieg
Ich habe letzte Nacht sehr schlecht geschlafen, zum einen weil mein Zelt so schief stand, zum anderen weil es sehr stark gestürmt hat. Um 7:30 Uhr geht es etwas unausgeschlafen weiter.
Auf Güterwegen geht es zurück zum Meer, dort besuche ich ein paar hundert Meter abseits des Weges wieder eine Allee couverte. Am Meer geht es auf Pfaden weiter. Der Wind hat mittlerweile die Wolken verweht, und ich habe sehr schöne Ausblicke auf das Meer mit starkem Wellengang. Das Meer hier schaut sowieso zu jeder Tageszeit anders aus, da der Unterschied zwischen Ebbe und Flut ganze 12 m beträgt.
Ich finde eine Beschilderung zu einem Rando Accueil in Lanmodez. Etwas im Landesinneren nach der Umrundung der Halbinsel bei der Gemeinde Pleubian. Ich überblicke auch den Sillon de Talbert, eine 3 km lange Landzunge aus Kieseln und Sand, die durch die starken Strömungen im Ärmelkanal entstanden ist. Von meiner Perspektive aus konnter ich nicht wirklich gute Fotos können.
Um 15 Uhr bin ich bei der Gîte, welche ich wieder für mich allein habe. Leider wird das in google maps angezeigte Lebensmittelgeschäft/Bar zum Verkauf angeboten und ist geschlossen. Da ich nichts mehr zu essen habe, gibt es heute nur Nudel mit Salz, welche ich in der Gîte finde.
12.03.2019 Lanmodez - Loguivy de la Mer 22,1 km
250 m Aufstieg, 280 m Abstieg
Ich habe so tief geschlafen, dass ich beim Aufwachen im Ersten Moment nicht mal begreife, wo ich bin und warum ich nicht in Wien in meinem Bett liege. Zum Frühstück gibt’s Porridge aus den letzten paar Haferflocken, dann starte ich wieder in den (Wander)Tag.
Ich folge einem Fluss (Le Trieux) weit ins Landesinnere. In Lézardrieux kann ich meine Vorräte aufstocken und mir in einer Boulangerie ein frisches Baguette und ein Croissant besorgen. Vor der Kirche gibt es einen Garten mit Bänken, wo ich gemütlich mein Mittagessen verzehre. Nach der Pause geht es im Süden des Städtchens über die Brücke und dann an der Ostseite des Flusses wieder nach Norden zum Meer. Auf dieser Flussseite überrascht mich der Weg mit schönen Pfaden und teilweise recht steilen Auf- und Abstiegen.
Plötzlich beginnt ein Regenschauer, begleitet von sehr heftigen Windböen. Ich schlüpfe schnell in die Regenklamotten und schaue, dass ich weiterkomme. Ich bin nämlich ausgerechnet jetzt relativ weit weg von den nächsten Häusern und kann mich nirgends unterstellen. Vor allem der Wind macht mir Sorgen und tatsächlich höre ich bald ein Knacken und 3 m vor mir kracht ein dicker Ast runter. Ich achte jetzt sehr auf Knackgeräusche. Es ist diesmal kein kurzer Schauer wie üblich, sondern es regnet und stürmt die nächste Stunde in ziemlich gleichbleibender Intensität. Gut, dass ich nach 30 Minuten an einer Hütte eines Fischervereins vorbeikomme, bei der ich mich wenigstens unter das Vordach stellen kann. Nach weiteren 30 Minuten ist der Spuk vorbei und der Wind hat sich ebenfalls gelegt. Beim Weitergehen komme ich an zwei frisch entwurzelten Bäumen vorbei, die direkt auf den Weg gefallen sind.
In Loguivy de la Mer angekommen, gibt es nur mehr an und ab Sprühregen. Ich gehe zum etwas außerhalb des Ortes liegenden (wie überall bisher um diese Jahreszeit geschlossenen) Camping Municipal, und mache es mir dort schon um 18 Uhr in meinem Zelt gemütlich.
Ich bin sehr froh, meinen E-Reader mitgenommen zu haben. Gerade jetzt im Winter muss ich bei Zeltübernachtungen eigentlich sofort in meinen Schlafsack und verbringe dann zwölf Stunden im Zelt.
13.03.2019 Loguivy de la Mer – Pointe de la Bilfot 24,5 km
330 m Aufstieg, 290 m Abstieg
Frisch und ausgeruht mache ich mich auf den Weg zum Cap Fréhel. Wunderschön ist es hier und ich werde auf dem Weg teilweise mit Propellern betriebenen Paragleitern begleitet. Direkt am Cap frühstücke ich mit traumhaftem Blick aufs Meer. Danach geht es weiter bis zum Fort la Latte.
Bis zum Port Nieux ist es wahrscheinlich einer der schönsten Teilabschnitte auf dem GR 34. Das ändert sich schlagartig mit einem nicht allzu schönen Straßenabschnitt. Ich habe schon seit Stunden kein Wasser mehr und verlasse den Weg Richtung Plébouelle. Trinkwasser gibt es hier bei der Kirche bzw. dem Rathaus nicht. Obwohl das Dorf sehr klein ist und fast verlassen wirkt, gibt es eine richtig skurrile kleine Kneipe. Hier trink ich was und kann meine Wasserflaschen auffüllen.
Anschließend geht's wieder zurück ans Meer. Kurz nach Pointe Saint-Efficace komme ich in eine ungewohnte Situation. Der Weg führt an einer Bucht einfach ins Meer, bzw. auf einen kleinen Steinstreifen direkt am Meer. Dazu müsste ich runtersteigen und hätte an meiner Rechten eine ca. 3 m hohe Klippe und gleich zur linken das Meer. Zusätzlich sieht man nicht um eine Ecke nach ca. 25 m, wie es dahinter weitergeht. Ich beschließe mich bis dorthin vorzutasten, und wenn es nicht weitergehen sollte einfach umzukehren und auf Straßen die Bucht zu umgehen.
Beim Runtersteigen zum Meer ruft ein Mann mir zu und ich steig wieder rauf zu ihm. Er warnt mich recht eindrücklich davor, Oben zu gehen, da die Flut noch höher steigt und der Weg dann tatsächlich weit unter Wasser liegt. Wenn man bedenkt, dass ich heute nur eine handvoll Leute angetroffen habe (den Wirten in Plébouelle, die Paragleiter und ein paar Ornithologen beim Cap Fréhel) bin ich sehr glücklich darüber, dass diese Begegnung genau im richtigen Moment stattfand. Ich gehe die Straße entlang und tatsächlich ist die Bucht 15 Minuten später voller Wasser. Ich hätte es vielleicht noch grad so durchgeschafft, aber so ist es mir schon lieber. Etwas verwundert bin ich, dass es hier keine markierte Flutvariante gibt, bzw es keine Warnung bei Flut in die Bucht zu gehen.
Bald darauf finde ich einen leeren Parkplatz. Hier stelle ich heute Nacht mein Zelt auf.