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Romea Strata 2024/Teil 2 vom Soomaa Nationalpark bis Rauna

  • Autorenbild: erwandert
    erwandert
  • 12. Dez. 2024
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 13. Juni


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Dienstag, 14. Mai / Sooma Nationalpark – Kõpu 24,88 km

162 m Anstieg, 117 m Abstieg


Heute ging es auf einer Straße immer geradeaus bis nach Köpu – buchstäblich geradeaus. Das ist mental sehr anstrengend. Zudem waren auf der staubigen Schotterstraße viele mit Holz beladene Sattelschlepper unterwegs. Jedes Mal, wenn sie an mir vorbeifuhren, wurde ich von einer massiven Staubwolke eingehüllt.


Trotzdem kam ich gut voran. Die Schmerzen an den Fußsohlen waren verschwunden, was mit Sicherheit am Ibuprofen lag, das ich am Morgen eingenommen hatte. Nachdem ich zwei Tage ungeduscht und frierend im Zelt verbracht und nicht damit gerechnet hatte, dass sich das so schnell ändern würde, bekam ich Kõpu, im eigentlich geschlossenen Hostel einen Schlafplatz.


Der Eigentümer, der gerade Instandhaltungsarbeiten durchführte, vermietete mir ohne zu zögern ein Zimmer.


Unterkunft:  Kõrtsitalu külalistemaja


Mittwoch, 15. Mai / Köpu – Halliste 25,48 km

201 m Anstieg, 193 m Abstieg


Ausgeschlafen und gewaschen ging es um 7:30 Uhr los. Zum wiederholten Mal war der Weg recht ereignislos.


Am Ziel angekommen kaufte ich mir im Supermarkt etwas zu essen und ging zur Kirche. Hinter dieser fand ich einen guten Zeltplatz.


Bis 22 Uhr hörte ich immer wieder Personen vorbeigehen, meine Zeltplatzwahl war wohl doch nicht so gut. Ich sah dann auf der Karte, dass ich auf einer Abkürzung von einem See ins Dorf lag. Ab 4:30 Uhr vernahm ich vor mir erneut Geräusche, Geflüster und Gehuste. Im Zelt kommen einem bei solchen Geräuschen oft eigenartige Gedanken. Ich malte mir aus, dass eine Gruppe Obdachloser ihr Nachtlager dort hatte und sich über den neuen Gast wunderte. Um fünf Uhr, als ich immer noch unverständliche Gespräche etwa zehn Meter von meinem Zelt hörte, stand ich auf und packte meine Sachen zusammen.


Zu meiner Überraschung entdeckte ich vor mir im Gebüsch Reservisten, die an der landesweit laufenden Militärübung teilnahmen und dort anscheinend gut getarnt Stellung halten sollten. Wenn es darum ging, nicht entdeckt zu werden, dann sind sie wohl gescheitert.


Unterkunft: Zelt bei der Kirche


Donnerstag, 16. Mai / Halliste – Ainja järv 18,52 km

135 m Anstieg, 116 m Abstieg


Mühsam schleppte ich mich Kilometer um Kilometer voran. Beim Gedanken daran, in meinem Sommerschlafsack noch zwei Nächte im Freien zu verbringen, wurde mir immer unbehaglicher.


Als sich die Frage „Wozu das alles?“ in meinen Kopf zu bohren begann, buchte ich schnell über eine Buchungsplattform Zimmer für die nächsten beiden Nächte, um wenigstens den Gedanken an eine ungemütliche Nacht loszuwerden. Das erste war ein kleines Holzhäuschen an einem See – leider ohne weitere Infrastruktur in der Umgebung. Und ich hatte außer zwei Riegeln nichts zu essen dabei. Ich fragte den Vermieter, ob ich ihm Nudeln, Reis oder Kartoffeln abkaufen könnte. Seine Frau schenkte mir daraufhin einen prall gefüllten Korb mit Essen. Dankbar machte ich es mir mit den Lebensmitteln für ein reichhaltiges Abendessen und ein Frühstück in der Hütte gemütlich.


Unterkunft: Ainja Puhkemaja


Freitag, 17. Mai / Ainja järv – Tõrva 29,27 km

267 m Anstieg, 318 m Abstieg


Meine Laune glich dieser Tage einer Achterbahnfahrt. Im Gegensatz zu gestern war ich heute einfach nur gut gelaunt. Beschwingt ging ich die 30 km bis Tõrva ohne größere Probleme. Unterwegs machte ich Mittagspause bei einem kleinen Coop, vor dem ein gemütlicher Pausenplatz mit Bank und Tisch war.


Lebensmittelgeschäfte mit Bänken und Tischen davor gehörten mittlerweile zu den emotionalen Höhepunkten meiner Reise. Meine Glücksschwelle ist nach so kurzer Zeit überraschend niedrig. Ein Pausenplatz mit Bank und Tisch, eine warme Dusche oder ein nicht asphaltierter Pfad – alles kleine Glücksmomente zum Feiern.


In Tõrva entpuppte sich mein gebuchtes Zimmer als kleine Ferienwohnung mit Küche.


Unterkunft: Ferienwohnung


Samstag, 18. Mai / Tõrva – Valka 34,38 km

232 m Anstieg, 239 m Abstieg


Gut ausgeschlafen ging es los. Aufgrund der Zimmerbuchungen von gestern stand heute die längste Etappe in Estland an. Es wurde allerdings auch eintönig, da ein Großteil des Weges entlang einer Hauptstraße führte. Darauf eingestellt und mit der Aussicht, heute Lettland zu erreichen, war ich aber doch entspannt. All das zusammen gab mir einen kleinen Endorphinschub.


Von Pärnu-Jaagupi führte die Ostvariante des Camino Eesti sieben Tage lang nach Valga (Estland) bzw. Valka (Lettland). Ich musste öfter auf das Zelt ausweichen, da einige Gemeindehäuser für Reservistenübungen benötigt wurden. Man merkt, dass der russische Aggressionskrieg und die Sorge, was alles passieren könnte, hier viel präsenter ist als bei uns in Mitteleuropa.


Unterkunft: Otrā elpa, SIA, Guest house


Sonntag, 9. Mai / Valka Ruhetag

Ich verbrachte den Tag mit dem Besuch einer evangelischen Messe, kaufte mir eine Sonnenbrille und Lebensmittel im örtlichen Einkaufszentrum. Den Rest des Tages verbrachte ich in der Waagerechten. Ich verbrachte so viel Zeit im Bett, dass mir tatsächlich langweilig wurde.


Unterkunft: Otrā elpa, SIA, Guest house


Montag, 20. Mai / Valka – Turna 22,02 km

126 m Anstieg, 121 m Abstieg


Mittlerweile war es sehr warm geworden – der Sommer kam langsam auch im Baltikum an.


Der Weg heute führte in einen Wald. Die Streckenführung scheint in Lettland viel öfter auf Steige und Waldwege zurückzugreifen als es in Estland der Fall war. Was mir allerdings weniger gefiel, waren die Moskittoattacken. Morgen zippe ich die Hose auf jeden Fall wieder auf lang.


Unterkunft: Folk House Turna


Dienstag, 21. Mai / Turna – Strenči 28,26 km

261 m Anstieg, 281 m Abstieg


Die Fußsohlen schmerzten sehr stark, aber das Guesthouse in Strenči entschädigte mich einigermaßen.


Nicht allzu weit von der Unterkunft entfernt gab es einen Supermarkt, in dem ich mir eine Tiefkühlpizza kaufte. Im Zimmer hatte ich jedoch nur eine Mikrowelle und musste die Erfahrung machen, dass Tiefkühlpizza aus der Mikrowelle nicht gerade ein kulinarisches Erlebnis ist.


Unterkunft: Guest House Strenči


Mittwoch, 22. Mai / Strenči – Camping vor Valmieras 27,02 km

311 m Anstieg, 296 m Abstieg


Die Wegführung, der Romea Strata, in Lettland gefiel mir bisher sehr gut, und zur Krönung des Tages erreichte ich nach 18 Kilometern den Biergarten der Brauerei Brenguļi. Ich trinke zwar seit geraumer Zeit keinen Alkohol mehr, aber es gab hier nicht nur Bier, sondern auch Eis.


Am Campingplatz angekommen, gab es dann jedoch wieder einen Dämpfer. Da Vorsaison war, waren Restaurant und Shop noch geschlossen, und abgesehen, dass ich hier halt ein WC zur Verfügung hatte, hätte ich mich genauso in den Wald zum Schlafen legen können. 


Unterkunft: Camping Baiļi


Donnerstag, 23. Mai / Camping vor Valmieras - Wild Camping Rauna 33,45 km

447 m Anstieg, 468 m Abstieg


Was für ein Tag! Teilweise musste ich mich durchs Dickicht schlagen und Flüsse mussten über Baumstämme oder abbruchreife Brücken überquert werden. Trinkwasser konnte ich mit Wasser aus einem kleinen Bach filtern. Ich kam nur sehr langsam voran. Es war zur Abwechslung mal eine äußerst fordernde Strecke. Ich genoss es – wie ein kleines Abenteuer im Abenteuer.


Den von mir anvisierten Platz am Fluss erreichte ich erst um 19 Uhr, trotzdem gönnte ich mir noch ein erfrischendes Bad im Fluss. Anschließend musste ich schnell ins Zelt schlüpfen, sonst hätten mich die Mosquitos bei lebendigem Leib gefressen. 


Unterkunft: Zelt





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